Entwicklungsländer haben begrenzte Möglichkeiten, finanziell von der Nutzung ihrer Rohstoffe zu profitieren. Die Besteuerung von Rohstoffunternehmen und besonders von Tochtergesellschaften oder Niederlassungen ausländischer Rohstoffkonzerne ist dafür ein zentrales Instrument.
Durch die weit verbreiteten Praktiken der Aushöhlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und Gewinnverschiebung in Steueroasen oder in die Schweiz vermindern oder vermeiden Schweizer Rohstoffkonzerne Steuerzahlungen in Entwicklungsländern. Sie tragen damit massiv zum Rohstoff-Fluch bei.
Die ROHMA setzt deshalb das gemäss Rohstoffgesetz im Schweizer Rohstoffsektor geltende Verbot der Aushöhlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und Gewinnverschiebung durch. Die Regelung gilt ab Steuerjahr 2015 und wurde den beaufsichtigten Firmen bereits ausführlich kommuniziert. Im Lichte der internationalen Entwicklung (u.a. im Rahmen der OECD und der G-20) geht die ROHMA davon aus, dass die inkriminierten Praktiken zunehmend generell, d.h. für alle Wirtschaftssektoren und Branchen verboten werden.
Grundsätzlich sind zwei Typen der Steuerhinterziehung und aggressiven Steuervermeidung zu unterscheiden:
Typ 1: Firmen mit einer Niederlassung (Tochtergesellschaft, Mehrheitsbeteiligung oder Filiale) in einem betroffenen Entwicklungsland.
Im Rohstoffbereich kann dies sowohl Produktionsstätten und Verarbeitungsanlagen als auch Lager- und Distributionsfirmen umfassen. Bei Typ 1 geschieht die Aushöhlung der Bemessungsgrundlage bei der konzerneigenen Niederlassung im Entwicklungsland, meist gepaart mit anschliessender Gewinnverschiebung.
Typ 2: Firmen ohne eigene Niederlassung im Entwicklungsland, typischerweise Handelsfirmen.
Hier geschieht die Reduktion oder Vermeidung der Steuerzahlung bei einer nicht verbundenen Firma im Entwicklungsland (nationales Unternehmen oder Niederlassung eines ausländischen Unternehmens). Das Schweizer Unternehmen leistet z.B. als Handelspartner oder Kapitalgeber Beihilfe dazu. Der Gewinnzuwachs, der sich durch die vermiedenen Steuern im Entwicklungsland ergibt, wird zwischen diesen Firmen geteilt. Der Transfer dieses Gewinnanteils ins Schweizer Unternehmen erfolgt mit den üblichen Praktiken der Gewinnverschiebung.
Die in beiden Typen praktizierten Steuervermeidungsstrategien sind vom Vorgehen her identisch, weshalb sie nicht weiter differenziert werden müssen. Auch zwischen Produktions- und Handelsfirmen lässt sich kein prinzipieller Unterschied feststellen. ROHMA verbietet und sanktioniert sowohl die aktive aggressive Steuervermeidung nach Typ 1 als auch die Beihilfe nach Typ 2.
Das Verbot der Aushöhlung der Bemessungsgrundlage und Gewinnverschiebung
Verboten sind alle Steuer- und Geschäftspraktiken, die im Entwicklungsland gezielt zu einer Verminderung des Gewinns oder einem Verlust und damit zur Verringerung oder Vermeidung der Steuerzahlungen führen. Es sind dies im Besonderen (indikative, nicht abschliessende Liste):
a) Reine Aushöhlung der Bemessungsgrundlage
Aufblähung der Kosten im Entwicklungsland: Hier werden die rein auf der Ebene des Unternehmens im Entwicklungsland anfallenden Kosten, die nicht mit einer Transaktion mit dem Schweizer Unternehmen in Zusammenhang stehen, aufgebläht. Also beispielsweise Arbeitskosten oder Kosten für lokale Vor- und Zwischenprodukte oder Treibstoff etc..
b) Aushöhlung der Bemessungsgrundlage und Gewinnverschiebung
- Klassisches „Transfer Pricing“ bzw. „Trade Mispricing“: Im Handel zwischen einem Schweizer Unternehmen und einem Unternehmen im Entwicklungsland werden Importe überfakturiert und Rohstoffexporte unterfakturiert. Dadurch steigen die Kosten und/oder der Ertrag wird vermindert. Zudem fällt so ein höherer Gewinn in die Schweiz oder andere Steueroasen an („Gewinnverschiebung“).
- Unterkapitalisierung: Ein Schweizer Unternehmen gibt einem Unternehmen im Entwicklungsland einen Kredit zu nicht marktüblichen Bedingungen. Der Schuldendienst reduziert den Gewinn und ist ein Mittel zur Gewinnverschiebung.
- Dienstleistungsverträge: Ein Unternehmen im Entwicklungsland bezieht von einem Schweizer Unternehmen Dienstleistungen, z. B. für Vermarktung (Handel) oder Consulting, für die ein überrissener Preis bezahlt wird. Die Wirkung entspricht jener bei der Überfakturierung im klassischen Transfer Pricing.
- Nutzung patentierter Technologien: Ein Unternehmen im Entwicklungsland nutzt Technologien, z.B. im Bergbau oder der Ölförderung, für die ein Schweizer Unternehmen das Patent besitzt. Die Lizenzzahlung für diese Nutzung reduziert den Gewinn und damit die Steuerzahlung und dient so der Gewinnverschiebung.
Die Steuerabteilung der ROHMA
a) Untersuchungsverfahren
Die Steuerabteilung der ROHMA hat umfangreiche investigative Ressourcen und Kompetenzen. Sie kann unangemeldet Büroräume durchsuchen und Dokumente zur Untersuchung beschlagnahmen. Der Nachweis der gezielten Steuerhinterziehung erfolgt über Referenzpreise. Weichen die verbuchten Summen für Kosten, Importe, Rohstoffexporte oder Dienstleistungen unbegründbar mehr als 5% von den von der ROHMA festgelegten Referenzpreisen ab, handelt es sich um eine illegale Praktik. Ein detailliertes Rundschreiben zu Referenzpreisen wird demnächst veröffentlicht. Gibt es, wie bei Patenten, keine Referenzpreis, bestimmt die ROHMA über die zulässige Bandbreite. Überkomplexe Firmenstrukturen, intransparente und/oder nicht geschäftlich begründbare Transaktionen sind ebenfalls starke Anhaltspunkte für verbotene Praktiken.
b) Strafverfahren
Bei erfolgreichem Abschluss einer Untersuchung werden Strafverfahren eingeleitet. Die Busse beträgt mindestens das Fünffachen der nachweislich hinterzogenen oder vermiedenen Steuer. Je nach Schwere des Vergehens kann die ROHMA zusätzlich in einem administrativen Verfahren die Lizenz entziehen.
c) Verfolgung des internationalen Umfelds und der Steuerpraktiken
ROHMA verfolgt die relevanten internationalen Entwicklungen und die Praktiken der Schweizer Firmen. Sie stellt so sicher, dass ihre Überwachung stets auf dem aktuellen Stand ist und neue Umgehungsstrategien frühzeitig erkannt und entsprechend verhindert werden können.
d) Steuerliche Amtshilfe
Steuerverfahren in Entwicklungsländern sind nur erfolgreich, wenn deren Untersuchungsbehörden auf Unterlagen aus der Schweiz zurückgreifen können. ROHMA koordiniert deshalb die Amtshilfe in Steuersachen im Rohstoffsektor und nutzt ihre investigativen Kompetenzen, um Steuerverfahren in Entwicklungsländern bestmöglich zu unterstützen.
e) Unterstützung von Entwicklungsländern bei der steuerlichen Abschöpfung
Die ROHMA unterstützt mit ihren Fachleuten die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit bei Programmen, mit denen die Steuersysteme im Rohstoffsektor in Entwicklungsländern verbessert und die Kompetenzen der lokalen Steuerbehörden ausgebaut werden sollen.